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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
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Pressemitteilungen des Oberverwaltungsgerichts
(OVG LSA) Ausschluss von Lehrkräften, die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unterrichten, von der Gewährung von Anrechnungsstunden nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar
27.06.2019, Magdeburg – 4
- Oberverwaltungsgericht
Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt
hat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass der Ausschluss von
Lehrkräften, die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen
Gymnasiums unterrichten, von der Gewährung von Anrechnungsstunden nach § 9
Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen
Schulden (ArbZVO-Lehr LSA) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG nicht vereinbar ist.
Nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA erhalten
Lehrkräfte, die in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des
Gymnasiums, der Gesamtschule
oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs mindestens
acht Wochenstunden Unterricht erteilen, eine Anrechnungsstunde, wenn sie
mindestens 16 Wochenstunden Unterricht erteilen, zwei Anrechnungsstunden.
Erteilen Lehrkräfte Unterricht im Fach Sport, gelten gemäß § 9 Satz 2
ArbZVO-Lehr LSA jeweils zwei Wochenstunden als eine Unterrichtsstunde im Sinne
von § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA. Die Klägerin, die als beamtete Lehrkraft in
einem Berufsschulzentrum im Dienst des beklagten Landes Sachsen-Anhalt steht,
begehrt die Festsetzung von Anrechnungsstunden für Unterricht, den sie in der
Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums erteilt bzw. in
den vergangenen Jahren erteilt hat. Diesen Antrag hat das Landesschulamt mit
der Begründung abgelehnt, Lehrkräfte an Fachgymnasien unterfielen nicht dem
Anwendungsbereich des § 9 ArbZVO-Lehr LSA und seien arbeitszeitrechtlich
nicht anders zu behandeln als andere Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen. Mit
Urteil vom 24. Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg festgestellt,
dass die Versagung von Anrechnungsstunden für die Lehrtätigkeit der Klägerin in
der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Fachgymnasiums seit dem
Schuljahr 2014/2015 nach Maßgabe des § 9 ArbZVO-Lehr LSA rechtswidrig sei.
Auf die hiergegen gerichtete Berufung des beklagten Landes hat
das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und
festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, bei der Bemessung der Unterrichtverpflichtung
der Klägerin in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019, wenn die Klägerin in
der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mindestens
acht Wochenstunden Unterricht erteilt hat, eine Anrechnungsstunde, wenn sie
mindestens 16 Wochenstunden Unterricht erteilt hat, zwei Anrechnungsstunden in
Abzug zu bringen. Zwar können auf der Grundlage von § 9 ArbZVO-Lehr LSA der
Klägerin wegen des von ihr erteilten Unterrichts keine Anrechnungsstunden
zuerkannt werden. Der eindeutige Wortlaut des § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA
beschränkt die Gewährung von Anrechnungsstunden für Unterricht in der
Qualifikationsphase auf Lehrkräfte, die in der gymnasialen Oberstufe des
Gymnasiums oder der Gesamtschule oder am Abendgymnasium oder Kolleg, mithin im
Bereich der Sekundarstufe II an bestimmten Formen allgemeinbildender Schulen in
den beiden jeweils höchsten Schuljahrgängen eingesetzt sind. Dies war und ist
bei der Klägerin nicht der Fall. Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts der
Vorschrift steht dem Oberverwaltungsgericht aufgrund des eindeutigen Willens
des Verordnungsgebers nicht zu.
Der Ausschluss von Lehrkräften, die in der
Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unterrichten, von
der Gewährung von Anrechnungsstunden nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA ist allerdings mit
dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dass
die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums
eingesetzten Lehrkräfte in § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA nicht
berücksichtigt sind, führt zu einem rechtfertigungsbedürftigen
Begünstigungsausschluss. Die Regelung hat im Zusammenspiel mit der in § 3 und
§ 4 ArbZVO-Lehr LSA geregelten Regelstundenzahl und
Unterrichtsverpflichtung im Regelfall zur Folge, dass Lehrkräfte, die - wie die
Klägerin - einen erheblichen Teil ihrer Unterrichtsverpflichtung in der Qualifikationsphase
des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums erbringen, die volle Regelstundenzahl
von 25 Unterrichtsstunden zu leisten haben, während Lehrkräfte, die in gleichem
Umfang in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der
Gesamtschule oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs
unterrichten, im Durchschnitt wöchentlich nur 23 oder 24 Unterrichtsstunden
erteilen müssen.
Diese Ungleichbehandlung der in der Qualifikationsphase
unterrichtenden Lehrkräfte danach, ob sie an einer allgemeinbildenden oder an
einer berufsbildenden Schule tätig sind, erfordert am Maßstab des Art. 3
Abs. 1 GG die Prüfung, ob für sie ein sachlicher, d. h. vernünftiger, sich aus
der Natur der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund vorhanden ist,
der dem Ziel und dem Ausmaß der Differenzierung angemessen ist. Dass in der
Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mindestens acht
Stunden unterrichtende Lehrkräfte insgesamt ein oder zwei Unterrichtsstunden
mehr zu erteilen haben, wird den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG danach
nur gerecht, wenn angenommen werden kann, dass die Arbeitsbelastung dieser
Lehrkräfte nach Zeit und/oder Art typischerweise gleichwohl der Arbeitsbelastung
der von § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA erfassten Lehrkräfte entspricht. Dies
ist nicht feststellbar.
Zur Beseitigung des Gleichheitsverstoßes ist der Beklagte
verpflichtet, bei der Bemessung der Unterrichtsverpflichtung der Klägerin in den
Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019, wenn die Klägerin in der Qualifikationsphase
des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mindestens acht Wochenstunden
Unterricht erteilt hat, eine Anrechnungsstunde, wenn sie mindestens 16 Wochenstunden
Unterricht erteilt hat, zwei Anrechnungsstunden in Abzug zu bringen.
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Juni
2019 ? 1 L 113/18
VG Magdeburg, Urteil vom 24. Mai
2018 ? 5 A 523/17 MD
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