Menu
menu

Kontakt

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt
Pressesprecherin:
VPräs'inOVG Claudia Schmidt
Telefon: +49 391 6067089
Fax: +49 391 6067029
E-Mail: presse.ovg(at)justiz.sachsen-anhalt.de
Pressemitteilungen des Oberverwaltungsgerichts
Adresse des Oberverwaltungsgerichts

Pressemitteilungen des Oberverwaltungsgerichts

(OVG LSA) Ausschluss von Lehrkräften, die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unterrichten, von der Gewährung von Anrechnungsstunden nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar

27.06.2019, Magdeburg – 4

  • Oberverwaltungsgericht

 

 

Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt

hat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass der Ausschluss von

Lehrkräften, die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen

Gymnasiums unterrichten, von der Gewährung von Anrechnungsstunden nach § 9

Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen

Schulden (ArbZVO-Lehr LSA) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3

Abs. 1 GG nicht vereinbar ist.

 

 

 

Nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA erhalten

Lehrkräfte, die in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des

Gymnasiums, der Gesamtschule

oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs mindestens

acht Wochenstunden Unterricht erteilen, eine Anrechnungsstunde, wenn sie

mindestens 16 Wochenstunden Unterricht erteilen, zwei Anrechnungsstunden.

Erteilen Lehrkräfte Unterricht im Fach Sport, gelten gemäß § 9 Satz 2

ArbZVO-Lehr LSA jeweils zwei Wochenstunden als eine Unterrichtsstunde im Sinne

von § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA. Die Klägerin, die als beamtete Lehrkraft in

einem Berufsschulzentrum im Dienst des beklagten Landes Sachsen-Anhalt steht,

begehrt die Festsetzung von Anrechnungsstunden für Unterricht, den sie in der

Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums erteilt bzw. in

den vergangenen Jahren erteilt hat. Diesen Antrag hat das Landesschulamt mit

der Begründung abgelehnt, Lehrkräfte an Fachgymnasien unterfielen nicht dem

Anwendungsbereich des § 9 ArbZVO-Lehr LSA und seien arbeitszeitrechtlich

nicht anders zu behandeln als andere Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen. Mit

Urteil vom 24. Mai 2018 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg festgestellt,

dass die Versagung von Anrechnungsstunden für die Lehrtätigkeit der Klägerin in

der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Fachgymnasiums seit dem

Schuljahr 2014/2015 nach Maßgabe des § 9 ArbZVO-Lehr LSA rechtswidrig sei.

 

 

 

Auf die hiergegen gerichtete Berufung des beklagten Landes hat

das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und

festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, bei der Bemessung der Unterrichtverpflichtung

der Klägerin in den Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019, wenn die Klägerin in

der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mindestens

acht Wochenstunden Unterricht erteilt hat, eine Anrechnungsstunde, wenn sie

mindestens 16 Wochenstunden Unterricht erteilt hat, zwei Anrechnungsstunden in

Abzug zu bringen. Zwar können auf der Grundlage von § 9 ArbZVO-Lehr LSA der

Klägerin wegen des von ihr erteilten Unterrichts keine Anrechnungsstunden

zuerkannt werden. Der eindeutige Wortlaut des § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA

beschränkt die Gewährung von Anrechnungsstunden für Unterricht in der

Qualifikationsphase auf Lehrkräfte, die in der gymnasialen Oberstufe des

Gymnasiums oder der Gesamtschule oder am Abendgymnasium oder Kolleg, mithin im

Bereich der Sekundarstufe II an bestimmten Formen allgemeinbildender Schulen in

den beiden jeweils höchsten Schuljahrgängen eingesetzt sind. Dies war und ist

bei der Klägerin nicht der Fall. Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts der

Vorschrift steht dem Oberverwaltungsgericht aufgrund des eindeutigen Willens

des Verordnungsgebers nicht zu.

 

 

 

Der Ausschluss von Lehrkräften, die in der

Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums unterrichten, von

der Gewährung von Anrechnungsstunden nach § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA ist allerdings mit

dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dass

die in der Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums

eingesetzten Lehrkräfte in § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA nicht

berücksichtigt sind, führt zu einem rechtfertigungsbedürftigen

Begünstigungsausschluss. Die Regelung hat im Zusammenspiel mit der in § 3 und

§ 4 ArbZVO-Lehr LSA geregelten Regelstundenzahl und

Unterrichtsverpflichtung im Regelfall zur Folge, dass Lehrkräfte, die - wie die

Klägerin - einen erheblichen Teil ihrer Unterrichtsverpflichtung in der Qualifikationsphase

des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums erbringen, die volle Regelstundenzahl

von 25 Unterrichtsstunden zu leisten haben, während Lehrkräfte, die in gleichem

Umfang in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe des Gymnasiums, der

Gesamtschule oder in der Qualifikationsphase des Abendgymnasiums oder Kollegs

unterrichten, im Durchschnitt wöchentlich nur 23 oder 24 Unterrichtsstunden

erteilen müssen.  

 

 

 

Diese Ungleichbehandlung der in der Qualifikationsphase

unterrichtenden Lehrkräfte danach, ob sie an einer allgemeinbildenden oder an

einer berufsbildenden Schule tätig sind, erfordert am Maßstab des Art. 3

Abs. 1 GG die Prüfung, ob für sie ein sachlicher, d. h. vernünftiger, sich aus

der Natur der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund vorhanden ist,

der dem Ziel und dem Ausmaß der Differenzierung angemessen ist. Dass in der

Qualifikationsphase des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mindestens acht

Stunden unterrichtende Lehrkräfte insgesamt ein oder zwei Unterrichtsstunden

mehr zu erteilen haben, wird den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG danach

nur gerecht, wenn angenommen werden kann, dass die Arbeitsbelastung dieser

Lehrkräfte nach Zeit und/oder Art typischerweise gleichwohl der Arbeitsbelastung

der von § 9 Satz 1 ArbZVO-Lehr LSA erfassten Lehrkräfte entspricht. Dies

ist nicht feststellbar.

 

 

 

Zur Beseitigung des Gleichheitsverstoßes ist der Beklagte

verpflichtet, bei der Bemessung der Unterrichtsverpflichtung der Klägerin in den

Schuljahren 2017/2018 und 2018/2019, wenn die Klägerin in der Qualifikationsphase

des Fachgymnasiums/Beruflichen Gymnasiums mindestens acht Wochenstunden

Unterricht erteilt hat, eine Anrechnungsstunde, wenn sie mindestens 16 Wochenstunden

Unterricht erteilt hat, zwei Anrechnungsstunden in Abzug zu bringen.

 

 

 

 

 

OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Juni

2019 ? 1 L 113/18

 

 

 

VG Magdeburg, Urteil vom 24. Mai

2018 ? 5 A 523/17 MD

 

 

 

Impressum:Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-AnhaltPressestelleBreiter Weg 203 - 20639104 MagdeburgTel: 0391 606-7089Fax: 0391 606-7029Mail: presse.ovg@justiz.sachsen-anhalt.deWeb: www.ovg.sachsen-anhalt.de