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Oberlandesgericht Naumburg
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Pressemitteilungen des Oberlandesgerichts Naumburg

(OLG NMB) Freisprüche im "Tierschützer-Fall" rechtskräftig
2 Rv 157/17 OLG Naumburg
28 Ns 74/17 LG Magdeburg

22.02.2018, Naumburg (Saale) – 2

  • Oberlandesgericht

 

 

Der 2.

Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg hat heute die Revision der Staatsanwaltschaft

gegen ein Berufungsurteil des Landgerichts Magdeburg verworfen, durch das ein Freispruch

der Angeklagten von dem Vorwurf des gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs

bestätigt worden war.

 

 

 

Nach den

Feststellungen des Landgerichts sind die drei Angeklagten Mitglieder einer

Tierschutzorganisation. Aus einem Hinweis erfuhren die Angeklagten, dass in den

Stallungen eines Tierzuchtunternehmens diverse Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung

vorliegen sollten. So seien insbesondere die Kastenstände für Schweine deutlich

zu klein. Aus vorherigen Fällen verfügten die Angeklagten über die Erfahrung,

dass eine Anzeige bei der zuständigen Behörde ohne dokumentierte Beweise nicht

erfolgversprechend war. In den Nachtstunden des 29. Juni und des 11. Juli 2013

überstiegen jeweils zwei der Angeklagten die Umzäunung der Anlage und betraten

über geöffnete Türen die Ställe, um dort Filmaufnahmen zu fertigen. Sie

stellten Verstöße gegen die vorgeschriebenen Haltungsbedingungen fest und

dokumentierten diese filmisch. Die Angeklagten handelten hierbei auf Grund

ihres stark ausgeprägten Mitgefühls für Tiere mit dem Ziel, die zuständigen

staatlichen Stellen dazu zu veranlassen, auf die Einhaltung der

Tierschutzregeln hinzuwirken. In der Folgezeit legten sie das Filmmaterial den

zuständigen Behörden vor und erstatteten Strafanzeige gegen die

verantwortlichen Personen des Tierzuchtunternehmens. Im Zuge der hierdurch

veranlassten behördlichen Kontrollen in den Stallungen wurden diverse Verstöße

gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung festgestellt.

 

 

 

Das Amtsgericht

Haldensleben hat die Angeklagten freigesprochen. Die dagegen gerichtete

Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Magdeburg verworfen. Allerdings

hätten die Angeklagten den objektiven Tatbestand des Hausfriedensbruchs

erfüllt, weil sie in das befriedete Besitztum des Tierzuchtunternehmens

eingedrungen seien. Die Verletzung des Hausrechts sei jedoch  unter anderem unter dem Gesichtspunkt des

Notstandes gerechtfertigt gewesen.

 

 

 

Der 2.

Strafsenat hat die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom heutigen

Tage als unbegründet verworfen. Der Senat hat die vom Berufungsgericht

vertretene Auffassung bestätigt, wonach rechtfertigender Notstand vorlag.  Das Tierwohl stelle ein notstandsfähiges

Rechtsgut dar, dem durch die von den Angeklagten dokumentierten Missstände

dauerhafte Gefahr gedroht habe. Die Tat sei zur Abwendung der Gefahr

erforderlich gewesen, weil mit einem Eingreifen der zuständigen Behörden nach

den zuvor erzielten Erfahrungen nicht zu rechnen gewesen sei. Das von den

Angeklagten geschützte Tierwohl sei im vorliegenden Fall deutlich höher zu

bewerten als das verletzte Hausrecht. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass

die Gefahr für das von den Angeklagten geschützte Tierwohl vom Inhaber des

Hausrechtes ausgegangen war.

 

 

 

Die Freisprüche

sind damit rechtskräftig.

 

 

 

Henning Haberland

 

 

 

Aus

den angewendeten Vorschriften des Strafgesetzbuches (StGB):

 

§

123 Hausfriedensbruch.

(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum

eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder

Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis

darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird

mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

 

(2) Die Tat wird nur auf Antrag

verfolgt.

 

 

 

§

34 Rechtfertigender Notstand.

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib,

Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die

Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn

bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen

Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte

Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Das gilt jedoch nur, soweit

die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

 

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