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Pressemitteilungen des Oberverwaltungsgerichts
(OVG LSA) Regelungen über die
außerkapazitäre Vergabe von Studienplätzen in Sachsen-Anhalt teilweise
verfassungswidrig
20.10.2011, Magdeburg – 12
- Oberverwaltungsgericht
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt - Pressemitteilung
Nr.: 012/11
Oberverwaltungsgericht des Landes
Sachsen-Anhalt - Pressemitteilung Nr.: 012/11
Magdeburg, den 20. Oktober 2011
(OVG LSA) Regelungen über die
außerkapazitäre Vergabe von Studienplätzen in Sachsen-Anhalt teilweise
verfassungswidrig
Das Oberverwaltungsgericht des Landes
Sachsen-Anhalt hat in einem Normenkontrollverfahren mit Urteil vom 19. Oktober
2011 eine Bestimmung in der Verordnung des Landes Sachsen-Anhalt über die
zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung,
welche sich mit der sogenannten außerkapazitären Vergabe von Studienplätzen
befasst, für unwirksam erklärt. Das Kultusministerium bzw. das nunmehr
zuständige Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft hatte im Juli 2010 bzw.
Mai 2011 eine Vorschrift erlassen, welche die Möglichkeit, im Rahmen eines
gerichtlichen Verfahrens eine außerkapazitäre Zulassung zu einem Studium zu
erreichen, erheblich beschränkt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat diese
Bestimmung für unwirksam erklärt, da sie nicht mit Artikel 25 der Verfassung
des Landes Sachsen-Anhalt vereinbar ist. Nach dieser Bestimmung hat in
Sachsen-Anhalt jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf seine Herkunft und
wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seine Begabung und seine Fähigkeiten
fördernde Erziehung und Ausbildung. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um
ein sogenanntes Jedermann-Recht, welches nicht nur für deutsche
Staatsangehörige und diesen gleichgestellten Bürgern der Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union, sondern auch für andere Ausländer gilt. Zwar vermittelt
diese landesrechtliche Bestimmung keinen uneingeschränkten Anspruch auf einen
Studienplatz, sondern vermittelt regelmäßig nur ein Teilhaberecht im Rahmen der
vorhandenen Ausbildungsplätze. Steht knappen Ausbildungsressourcen ein
Bewerberüberhang gegenüber, müssen die gesetzlichen Bestimmungen so
ausgestaltet sein, dass sämtliche miteinander konkurrierende Bewerber einen
gleichrangigen und gleichgewichtigen Anspruch auf Zugang zu einer Ausbildungseinrichtung
haben. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat das Land Sachsen-Anhalt bei Erlass
der streitigen Bestimmung der Vergabeverordnung nicht hinreichend beachtet, da
nach dieser Regelung ausländische Studienbewerber, welche nicht Bürger eines
Mitgliedsstaates der Europäischen Union sind, nunmehr generell nicht mehr in
einem gerichtlichen Verfahren eine zu niedrige Festsetzung der
Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt geltend
machen können. Eine solche Ungleichbehandlung im Vergleich zu deutschen
Staatsangehörigen und den sogenannten EU-Ausländern ist mit Artikel 25 der
Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt nicht vereinbar. Das Urteil ist nicht
rechtskräftig, das Land Sachsen-Anhalt kann gegen die Nichtzulassung der
Revision durch das Oberverwaltungsgericht Beschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen (Oberverwaltungsgericht des Landes
Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Oktober 2011, Aktenzeichen 3 K 326/11).
Zum Hintergrund:
Die Wissenschaftsverwaltungen der
Länder bzw. in einigen Bundesländern die Hochschulen selbst bestimmen jährlich
in Rechtsverordnungen bzw. Satzungen für jeden Studiengang die Zahl der zuzulassenden
Studienanfänger. In einigen Studienfächern (z. B. Human- und Zahnmedizin)
werden die Studienbewerber aufgrund eines zentralen Vergabeverfahrens bei der
Stiftung Hochschulzulassung (früher ZVS) nach Maßgabe der festgesetzten
Studienanfängerzahlen zum Studium zugelassen (sog. innerkapazitäre Vergabe).
Bei den Anträgen auf außerkapazitäre Zulassung (sog. Numerus-Clausus-Verfahren)
machen Studienbewerber, die im Rahmen der innerkapazitären Zulassung keinen
Studienplatz erhalten haben, in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltend,
dass die mit Rechtsnorm festgesetzte Zahl von Studienanfängern fehlerhaft zu
niedrig bestimmt worden ist. Sie begehren in diesen gerichtlichen Verfahren die
¿Aufdeckung¿ weiterer Studienplätze durch das Gericht und für den Fall, dass das
Gericht weitere Studienplätze ¿entdeckt¿, die Zuweisung eines dieser weiteren
Studienplätze. In Sachsen-Anhalt wurden im Jahr 2010 bei den beiden
Verwaltungsgerichten Halle und Magdeburg 1168 Anträge auf außerkapazitäre
Zulassung (vorwiegend für das Fach Humanmedizin) gestellt. Gegen die
Entscheidungen der Verwaltungsgerichte wurde in 210 Verfahren Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht
eingelegt. Die gerichtlichen Anträge sind im Jahr 2010 ¿ bis auf wenige
Ausnahmen ¿ erfolglos geblieben. Bundesweit sind 2010 insgesamt 32.475 der sog.
Numerus-Clausus-Verfahren bei den Verwaltungsgerichten anhängig geworden, bei
den Oberverwaltungsgerichten sind in 3.060 Verfahren Beschwerden eingegangen.
Semmelhaack
(stellvertretender Pressesprecher)
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